Samstag, 4. April 2009

Kindererziehung nach der VfB-Methode

Dass immer mehr Frauen sich für Fußball interessieren, liegt nicht nur an den strammen Waden und Six-Packs der Spieler. Die Modellathleten taugen auch wunderbar als Vorbilder in der Kindererziehung. Mein Sohn eifert seinem Helden Mario Gomez nach.
Wenn er abends nicht ins Bett will: „Die VfB-Spieler liegen schon längst im Bett. Die müssen rechtzeitig schlafen, sonst sind sie nicht fit. Wenn du später Profi bist, steht das auch in deinem Vertrag!“ Der VfB muss aber nicht nur als Druckmittel herhalten und so wird das Einschlaf-Ritual mit einer Fritzle-Gute-Nacht-Geschichte in versöhnliche Bahnen gelenkt. Nach Siegen ist dann auch tatsächlich Ruhe.
Niederlagen sind die Kehrseite der Medaille bei der Fußball-Kindererziehung. Da schreckt mein 5-Jähriger Sohn nachts mehrmals hoch, jammert und schreit im Schlaf: „Schieß doch, Mario!“ oder „Das war ein Freistoß!“ Ich beruhige ihn, sage beschwörend: „Klar, da würde jeder Schiedsrichter einen Freistoß geben.“ Und mit etwas Glück kehrt mein Sohn mit einem „Aber ich will ihn treten!“ ins Reich der Wunschträume zurück.
Ärztliche Betreuung ist nicht nur für Spitzensportler wichtig. Kleine Buben sind da jedoch nicht immer einsichtig. Sie schütteln entschieden den Kopf: „Ich will nicht zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt!“ Zum Glück können wir wieder den ausgetretenen Pfaden des leuchtenden Vorbilds folgen: „Der Mario Gomez hat sich auch die Nasenscheidewand begradigen lassen – jetzt kann er viel besser schnaufen und rennen beim Spiel.“ – Dagegen kommt kein „der Arzt will dir doch nur helfen“ an.
Ich überlege sogar, ob ich nicht den Volkshochschul-Kurs „Rechnen lernen und räumliches Denken mit dem VfB“ anbieten soll. Mein Sohn addiert inzwischen mühelos Torverhältnisse anhand der Spielergebnisse, wobei er nicht vergisst Auswärtsergebnisse zu drehen. Es muss ja nicht unbedingt ein Nachteil sein, wenn man mit einem Verein fiebert, bei dem man immer rechnen und bangen muss... Zuhause läuft an Spieltagen das Radio. Ist der kleine Fan beim Opa, schaltet ihm jemand den Videotext ein. Er kann noch nicht lesen. Aber er merkt sich in welcher Reihenfolge die Spielpaarungen auf der Seite stehen und beobachtet in den folgenden Stunden, wie sich die Zahlen dahinter ändern. Zu so einer öden Aufgabe sollte man ein Kind mal ohne Fußballhintergrund zu bewegen versuchen.
Auch Aufgaben wie: „Ordne folgende Spieler der Größe nach: Arthur Boka, Mario Gomez, Matthieu Delpierre, Sami Khedira“ bereiten ihm nur geringe Probleme – trotz der kleinen Schwierigkeit, dass zwei davon gleich groß sind. Das ist kein sinnloses Wissen, das sind Schlüsselqualifikationen. Damit kann man beim VfB-Trumpfen seine Karten entscheidend ausspielen. Und die Frage, ob Thomas Hitzlsperger oder Ludovic Magnin größere Füße hat, hält auch nur für nebensächlich, wer noch nicht Zeugwart beim VfB war – oder zu Hause keinen kleinen Fan hat, den man von anderen Fragen ablenken muss: „Wie lange dauert es, bis ich Größe 33 habe und Mario Gomez-Kickschuhe kriege?“ Die gibt es nicht kleiner. Das ist tatsächlich so ein Fitzelchen unnützes Wissen – außer man ist Mutter des größten Mario Gomez-Fans südlich von Stuttgart.