Samstag, 23. Mai 2009

Fußball ist kein Kindergarten

Ein echtes Derby zum Saisonabschluss – das hat was! Ja, aber was soll jetzt das „echt“? Na, im Kampf um Sensationen, Einschaltquoten und Traditionen wird doch so manches Spiel zum Derby gemacht, über das Fan-Urgesteine nur leise kichern. Ich bin zwar kein Fan-Urgestein. Aber ich kann ganz klar definieren, wann es sich um ein „echtes“ Derby handelt: Am nächsten Tag geht man nach einer Niederlage nicht aus dem Haus; und bei einem Sieg geht man sogar zum Metzger, wenn man noch ein Kilo Aufschnitt zu Hause hat. Denn die gegnerischen Fans sind mitten unter uns.
Und wo sollen jetzt in unserem schwäbischen Dorf, weit südlich von Stuttgart, Bayern herkommen? Ha, wenn es um Fußball-Bayern geht stellen sie die klare Mehrheit. Unser Dorffest soll heute abend zur Bayern-Fete werden, hieß es im Mitteilungsblättle. Da sei Mario Gomez vor – als vergleichsweise waschechter Schwob!
Das Risiko, bald komplett bairisch zu werden, ist für unser Dorf nicht gering. Denn die Bayern-Fans neigen dazu mindestens zwei bis drei männliche Nachkommen zu zeugen. Im Kindergarten ist die VfB-Anhängerschaft überschaubar. Bei Juniors 6. Geburtstag vergangene Woche schafften wir mit Mühe ein 4:5 unter den Gästen der VfB-Party – also 4 Stuttgarter gegenüber 5 Bayernfans. Und dabei ist der eher fußball-uninteressierte Gast schon den Schwaben zugerechnet. Aber dafür war es unsere Party! Alle mussten also vom VfB-Kuchen essen, sich mit VfB-Servietten den Mund abtupfen, unter VfB-Wimpeln mit VfB-Luftballons spielen. Und selbst der FC Bayern-Fan, der den Schuss-Stärke-Wettbewerb gewann, bekam eine Urkunde: „57 km/h beim VfB-Kapitän-Hitzlsperger-Gedächtnis-Schießen“.
Lediglich alle mütterlich-pädagogischen Versöhnungsversuche blieben erfolglos. Beim Fußball-Quiz sollten beide Parteien eine Chance haben, so dass es kein reines VfB-Quiz gab. Auf die Frage, welche Spieler denn bei beiden Vereinen gekickt hätten, riefen die Bayern-Fans einstimmig: „Gomez!“
Prügeleien konnten zwar meist verhindert werden. Aber dass Thomas Hitzlsperger und Philipp Lahm auch Tennis miteinander spielen ohne zu streiten, wurde nur mit schweigender Verachtung quittiert. Wer interessiert sich schon für Tennis, da kann man ja gar nicht reingrätschen, weil ein Netz dazwischen ist.
Als Mama kann man seinen armen, kleinen Liebling leider ohnehin nicht immer vor den bösen Bayern-Fans beschützen. Wenn man auf die Vierzig zugeht, pöpelt man kein Kindergartenkind an, das einem „Freund“ zuruft: „Hey, du hast ja immer noch die falsche Kappe!“ Aber als ein Erstklässler den Freund meines Sohnes mobbte: „Wie hat Bayern gegen Stuttgart gespielt, hä?“ – Ein leises „5:1“ – „Aha, und wer hatte fünf, und wer eins?“... Da habe ich schnell meinen Sohn losgeschickt, damit sie wenigstens zu zweit sind.
Ob das pädagogisch sinnvoll ist, steht nicht zur Debatte. Hier geht es um Fußball. Was soll das mit einem Kindergarten zu tun haben – außer dass man da nach Derbys ganz ohne Bauchweh und Entschuldigung oder ärztliches Attest fehlen kann. Aber das wird diesmal hoffentlich nicht nötig sein. Meine Kinder jedenfalls sind auf das heutige Endspiel vorbereitet. Immer wieder haben wir „Fritzle und die Lederhosenbande“ gelesen. Da entführen die Bayern das VfB-Maskottchen und zwängen es in eine Lederhose. Aber selbstverständlich wird es von der Mannschaft gerettet und aus der ungewohnten Tracht befreit. Und dann hat in der Geschichte Trainer Markus Babbel das Schlusswort: „Ihr habt ja gesehen, wie man es macht. Jetzt geht ihr raus und zieht den Bayern die Lederhosen aus.“
Daran glauben meine Kinder!

Samstag, 4. April 2009

Kindererziehung nach der VfB-Methode

Dass immer mehr Frauen sich für Fußball interessieren, liegt nicht nur an den strammen Waden und Six-Packs der Spieler. Die Modellathleten taugen auch wunderbar als Vorbilder in der Kindererziehung. Mein Sohn eifert seinem Helden Mario Gomez nach.
Wenn er abends nicht ins Bett will: „Die VfB-Spieler liegen schon längst im Bett. Die müssen rechtzeitig schlafen, sonst sind sie nicht fit. Wenn du später Profi bist, steht das auch in deinem Vertrag!“ Der VfB muss aber nicht nur als Druckmittel herhalten und so wird das Einschlaf-Ritual mit einer Fritzle-Gute-Nacht-Geschichte in versöhnliche Bahnen gelenkt. Nach Siegen ist dann auch tatsächlich Ruhe.
Niederlagen sind die Kehrseite der Medaille bei der Fußball-Kindererziehung. Da schreckt mein 5-Jähriger Sohn nachts mehrmals hoch, jammert und schreit im Schlaf: „Schieß doch, Mario!“ oder „Das war ein Freistoß!“ Ich beruhige ihn, sage beschwörend: „Klar, da würde jeder Schiedsrichter einen Freistoß geben.“ Und mit etwas Glück kehrt mein Sohn mit einem „Aber ich will ihn treten!“ ins Reich der Wunschträume zurück.
Ärztliche Betreuung ist nicht nur für Spitzensportler wichtig. Kleine Buben sind da jedoch nicht immer einsichtig. Sie schütteln entschieden den Kopf: „Ich will nicht zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt!“ Zum Glück können wir wieder den ausgetretenen Pfaden des leuchtenden Vorbilds folgen: „Der Mario Gomez hat sich auch die Nasenscheidewand begradigen lassen – jetzt kann er viel besser schnaufen und rennen beim Spiel.“ – Dagegen kommt kein „der Arzt will dir doch nur helfen“ an.
Ich überlege sogar, ob ich nicht den Volkshochschul-Kurs „Rechnen lernen und räumliches Denken mit dem VfB“ anbieten soll. Mein Sohn addiert inzwischen mühelos Torverhältnisse anhand der Spielergebnisse, wobei er nicht vergisst Auswärtsergebnisse zu drehen. Es muss ja nicht unbedingt ein Nachteil sein, wenn man mit einem Verein fiebert, bei dem man immer rechnen und bangen muss... Zuhause läuft an Spieltagen das Radio. Ist der kleine Fan beim Opa, schaltet ihm jemand den Videotext ein. Er kann noch nicht lesen. Aber er merkt sich in welcher Reihenfolge die Spielpaarungen auf der Seite stehen und beobachtet in den folgenden Stunden, wie sich die Zahlen dahinter ändern. Zu so einer öden Aufgabe sollte man ein Kind mal ohne Fußballhintergrund zu bewegen versuchen.
Auch Aufgaben wie: „Ordne folgende Spieler der Größe nach: Arthur Boka, Mario Gomez, Matthieu Delpierre, Sami Khedira“ bereiten ihm nur geringe Probleme – trotz der kleinen Schwierigkeit, dass zwei davon gleich groß sind. Das ist kein sinnloses Wissen, das sind Schlüsselqualifikationen. Damit kann man beim VfB-Trumpfen seine Karten entscheidend ausspielen. Und die Frage, ob Thomas Hitzlsperger oder Ludovic Magnin größere Füße hat, hält auch nur für nebensächlich, wer noch nicht Zeugwart beim VfB war – oder zu Hause keinen kleinen Fan hat, den man von anderen Fragen ablenken muss: „Wie lange dauert es, bis ich Größe 33 habe und Mario Gomez-Kickschuhe kriege?“ Die gibt es nicht kleiner. Das ist tatsächlich so ein Fitzelchen unnützes Wissen – außer man ist Mutter des größten Mario Gomez-Fans südlich von Stuttgart.

Freitag, 27. März 2009

Völkerverständigung für Einsteiger

Die Bundesliga mag eine Pause einlegen, aber die Fußballbegeisterung bei uns im Hause nicht. Schließlich weiß schon der Kleinste mit seinen drei Jahren, wie viele VfB-Spieler für die kommenden beiden WM-Qualifikationsspiele nominiert sind: „Krei“ Und von den Bayern? „Krei.“ Jetzt müssen wir nur noch an der Aussprache arbeiten.
Liechtenstein ist eine schwere Aufgabe! Nee, nicht lachen. Kulinarisch meine ich. Bei Länderspielen gibt es bei uns nämlich immer etwas aus dem Land des Gegners zu essen mit den passenden Flaggen-Piekern. Aber was ist eine Liechtensteiner Spezialität? Diesmal gibt es einfach nur Nachtisch. Denn die Lieblings-Schoko-Mousse der Fürstenfamilie ist beim Hinspiel besser angekommen als die „Chäsknöpfli“. Und schließlich soll den Kindern durch den Magen ein bisschen Weltoffenheit vermittelt werden. Also so, dass sie die internationalen Hoheitszeichen kennen und bei skandinavischen Gegnern bereits vorher fragen: „Gibt es da auch was ohne Fisch?“ Zum EM-Auftakt 2008 hat die Aktion in Sachen Völkerverständigung erste Wirkung gezeigt. Mein fünfjähriger Sohn wechselte vom Tisch zum Fernseher mit den Worten: „Jetzt hauen wir die weg, die Polen... Aber voll leckere Waffeln haben die.“
Abgerundet werden unsere Nationalmannschaftspartys mit Fußball-Liedern – und meine Tochter muss als Schulkind meistens schon vor dem Anpfiff murrend ins Bett. Der Kleinste schläft auf meinem Arm ein. Dann wird auch er schnell ins Bett verfrachtet, damit mein Mittlerer und ich rumschreien können. Hier zahlt es sich ausnahmsweise mal aus, das Sandwichkind zu sein. Er ist schon fußballbegeistert genug, um wach zu bleiben, und klein genug, um am nächsten Tag ausschlafen zu können.
Mit den familienfreundlichen Zeiten ist das nämlich noch nicht optimal umgesetzt. Man kann auch sagen mit den mütterfreundlichen Zeiten. Die letzten beiden Spiele gegen England und Norwegen waren anscheinend nicht so elektrisierend. Da musste mein Sohn mich irgendwann wecken: „Die Interviews und anderen Spiele sind jetzt rum. Ich mach aus und geh ins Bett.“
Aber diesmal geht es wieder um was. Da bleibe ich wach. Ich muss ja auch den Kommentator verbessern, über die dummen Fragen der Reporter schimpfen und hysterisch aufschreien, falls Mario Gomez ein paar Zentimeter am Ball vorbeirutscht. Ich könnte dem Bundestrainer auch verraten, warum es in den vergangenen Spielen für den Stuttgarter Stürmerstar nicht so gut lief. Aber wer fragt mich schon? – Außer meinen Kindern, die noch klein genug sind, um mich für nahezu allmächtig zu halten. Gut, mein Image bekam während der EM die ersten Kratzer, als mein Fußball-Sohn feststellte: „Wenn der Ballack älter ist als du, und der Enke genau gleich alt – warum bist du dann nicht in der Nationalmannschaft?“ Das kann ich nicht beantworten, denn ich frage mich ja selbst, wieso ich noch nicht als Berater geholt wurde.

Rezepte für den Bundestrainer:
Folge 1, Wie Mario Gomez wieder trifft

Aber wenigstens hier könnte ich meine Theorie los werden. Sie steht immerhin auf der Basis intensiven YouTube-Studiums. Schließlich arbeitet man heute schon im Jugendbereich mit Taktikschulung und Videoanalyse statt nur zwischen Gullideckeln rumzubolzen. Meinem Bambini-Spieler zeige ich hin und wieder „Die schönsten Tore von Mario Gomez“ oder „Aus Thomas Hitzlspergers Trickkiste“. Und mein Fazit ist: ...trommelwirbel... tada... Mario Gomez braucht seinen Teamkollegen Hitz!
Es geht nicht darum, dass der den direkten Pass als Vorlage spielen muss – obwohl er das wunderbar kann. Nein, er muss einfach da sein. Lacht nur! Und wenn ihr euch wieder beruhigt habt, denkt mal über folgende Fragen nach: Wer kam bei der EM erst mit dem Portugal-Spiel ins Rennen, als sein spanischer Kumpel bereits zu Gurken-Gomez mutiert war? Warum hat der Torero in Stuttgart noch nicht den Abflug gemacht – also zu einem anderen Verein, nicht als Torjubel. Wer hat im Derby in Karlsruhe erstmals in der Rückrunde nicht getroffen, als Kapitän Hitzlsperger eine schöpferische Pause auf der Bank einlegte? Gell, da kommt man ins Grübeln. Es gibt doch auch Rennpferde, die brauchen ihre Gesellschafter-Katze. Oder Superstars, die gehen nicht ohne ihr Diddlmaus-Maskottchen auf die Bühne.
Wenn jetzt in den nächsten beiden Spielen die Kombination Hitzlsperger-Gomez aufläuft und letzterer auch in der Nationalmannschaft wieder abhebt, rechne ich fest mit einer Anfrage des DFB. Ich weiß nur nicht, ob ich den Berater-Vertrag unterschreiben könnte. Denn wer kocht dann bei mir zuhause vor den Länderspielen internationale Spezialitäten?

Sonntag, 22. März 2009

Von Siegen, Niederlagen, Gebruddel und Gebrüll

Jaaaa, ich bin kein Unglücksengel! Um genau zu sein, bin ich gar kein Engel. Aber meinen Kindern hat es nichts ausgemacht. „Man hat nur die Mama gehört, wo wir saßen“, berichtet meine achtjährige Tochter daheim und verneint entschieden die Suggestiv-Gegen-Frage vom fußball-uninteressierten Papa. „Habt ihr euch dann sehr geschämt?“
Aber wir waren ohnehin rundum zufrieden nach dem 2:0-Sieg über den Tabellenführer aus Berlin. Und bei meinem Sohn muss ich so langsam aufpassen, dass der VfB ihn mir nicht abwirbt bei seiner Serie. Er nahm es selbstverständlich. „Die gewinnen halt immer, wenn ich im Stadion bin.“ Angefeuert hat er natürlich trotzdem. Schließlich hatte ich den Kindern empfohlen: „Schreit euch im Stadion mal so richtig aus.“ Dann muss man sich wenigstens kein Loch im Garten graben zum Reinbrüllen wie beispielsweise nach dem Werder-Spiel. Und überhaupt kann man die Fußball-Leidenschaft als Mutter ja auch mal praktisch nutzen. Leider gehen die im Alltag mitunter unerträglichen Kinderstimmchen im Stadion eher unter. Außer ein Fünfjähriger fragt während der Schweigeminute: „Mama, warum stehen die jetzt alle so still?“
Ganz eigennützig hoffe ich, dass der Bub bei seiner ersten Live-Pleite nicht ausgerechnet mit mir unterwegs ist. Andererseits: mit zunehmenden Alter oder ist’s die wachsende Erfahrung kann mein Sohn ohnehin besser mit Niederlagen umgehen. Inzwischen teilt er schon die Gefühlserfahrung der meisten erwachsenen Fußballfans: totale Leere, Wut und Enttäuschung nach verlorenen Spielen und ab Montag stetig wachsende Hoffnung auf das nächste Spiel. Noch vor kurzem führte jeder gegnerische Treffer zu Tränen. Die Wiederholungen bei der Fernseh-Berichterstattung ertrug er gar nicht. „Kann ich die Augen wieder aufmachen?“
Aber diese Woche gibt es nichts über Niederlagen zu philosophieren. Wir waren mit uns und der Mannschaft rundum zufrieden. Die war offensichtlich genauso gut vorbereitet wie wir. Bewaffnet mit Fahne und Horn, VfB-Mützen, Gomez-Schal und Hitz-Trikot hatte wir uns auf den Weg gemacht. In der S-Bahn noch schnell VfB-Wappen, Fritzle und das „Mario“-Bekenntnis auf die begrenzte Flüche eines Kindergesichts gepinselt, meiner Tochter in blöder Fitzelarbeit „VfB“ mit Glitzersteinchen aufgeklebt. Ein bisschen mädchenhaft sollte es für sie sein, ohne gleich auf die rosa Girly-Fan-Kollektion zurückzugreifen. Oder ist ein Hitzelsperger-Trikot schon mädchenhaft genug?
„Guck mal, sogar die S-Bahn ist rot-weiß!“ befand der Fan-Nachwuchs bei der Abfahrt. Erst auf dem Rückweg fiel meinem Sohn das DB-Zeichen auf. „Das ist ein Hertha-Bahnhof!“ Meine Erklärungen über Sponsoring wurden nur misstrauisch aufgenommen. Er denkt wahrscheinlich auch, wir bekommen Post vom VfB, wenn die Stromrechung kommt.

Vielleicht sollten wir lieber mal dem VfB schreiben. Denn die cleverste Anwerbe-Strategie ist es ja nicht, die Familien, die ihre Karten über die Landesfamilien-Pass-Aktion beantragt hatten, direkt neben den Hertha-Block zu setzen. Nicht jeder hat eine Mutter dabei, die alleine versucht, den zu überbrüllen. Auch die Kindergruppe, die mal ein „VfB, VfB, VfB“ in Vor-Stimmbruch-Tonlage anstimmte, fand keine Unterstützung. In der Untertürkheimer Kurve gewinnt man halt den falschen Eindruck, nur die Gäste singen. Ich finde ja, es hätte sich auch angeboten, nach dem Schlusspfiff wenigstens Fritzle – das in der zweiten Halbzeit ohnehin dort hinter dem Gästetor stand – bei den Kiddies vorbeizuschicken. Aber mein Gott, ich passe mich ja auf beinahe anbiedernde Art an: Jetzt werde ich auch noch ein Bruddler. Da wird mir vielleicht verziehen, dass ich als Reig’schmeckte aufgestanden bin, bei: „Steht auf, wenn ihr Schwaben seid!“ Dafür bin ich mit zwei schwäbischen Kindern im Arm sogar noch gehüpft.

Donnerstag, 19. März 2009

"Wir wollen euch siegen sehen"

Mein erstes Bundesligaspiel! Nicht wie die Jungfrau zum Kinde aber durch mein Kind kam ich zum VfB. Sagen wir, als Sympathisantin. Fan? Das geht nicht. Man kann nur Fan von einem Verein sein. Da kommt der VfB zu spät, nachdem ich meine Jugend mit meinem Vater bei den Zweit-, Ober- und Regionalliga-Spielen eines hessischen Traditionsvereins verbracht habe. Der Platz in meinem Herzen ist schon besetzt. Aber wenn man jedes Fitzelchen Information über den VfB einem 5-Jährigen vorliest, wenn man alle Interviews kennt, morgens überlegen muss, ob Marios Adduktoren zwicken und was die Kinder von Roberto Hilbert frühstücken, dann wachsen einem die Spieler irgendwie ans Herz.
Ich mag noch kein VfB-Experte sein. Aber ich arbeite daran, um den Platz in der Welt meines Sohnes zu behaupten. Noch bin ich auf Platz 1 vor Mario Gomez auf seiner „Was ich am liebsten mag“-Liste. Papa liegt abgeschlagen auf Platz 3. Ich muss am Ball bleiben. Fragen wie „Warum heißt das Alle-Magnin Aachen? Hat der da gespielt?“ müssen beantwortet werden – und Anspruchsvolleres. Wer mag sich ausmalen, wie eine Frau einem 5-Jährigen „Abseits“ erklärt?
Jetzt freue ich mich auf mein erstes Bundesliga-Spiel live im Stadion gegen Hertha BSC Berlin. Die kenne ich sogar aus alten Zweitliga-Tagen. Obwohl bei aller Vorfreude – keiner der Spieler kann vor diesem Spiel auch nur annähernd solchen Druck empfinden wie ich! Wirklich! Ein VfB-Sieg ist Pflicht. Andernfalls ist mein erstes Bundesliga-Spiel auch mein letztes. Warum?
Bisher war Sohnemann mit dem Opa im Stadion und hat jedes Mal einen Sieg gesehen. Dies nur nebenbei, falls der Verein statt in neue Spieler in zwei Gratis-Dauerkarten für meinen Schwiegervater und Sohn investieren will. Man ist ja abergläubisch im Fußball. Das muss man mir nicht erzählen. Bisher konnte ich mich rausreden: Das „Arsenal London“-Spiel, das wir gemeinsam beim Saison-Opening gesehen haben, war nur ein Test. Aber das Misstrauen ist da bei meinem Sohn: Wird er an meiner Seite auch Siege sehen?
Ich kann ihn verstehen. Meine eigene Mutter hatte mehr als ein Jahrzehnt Stadionverbot von der Familie, seit sie bei einem denkwürdigen Pokalspiel gegen Bayern München (okay, die Amateure) kurz vor Schluss ins Stadion kam – und mit ihrem Erscheinen der Ausgleich fiel. Am Ende stand eine Niederlage nach Verlängerung, und irgendjemand musste dran schuld sein! Inzwischen im Alter bin ich milder geworden und weniger abergläubisch. Meine Mutter darf zum Fußball mit, wenn ich sie und ein Regionalliga-Spiel in der alten Heimat besuche.
Aber mein Sohn ist natürlich noch nicht so reif. Ich wage zu bezweifeln, dass ich noch einmal mit darf, wenn das Hertha-Spiel verloren geht. Auf einen enthusiastischen Zuschauer, der bis zur letzten Minute versuchen wird, die Mannschaft zum Sieg zu brüllen, kann der VfB am Samstag bauen. Also, strengt euch an - für mich, für weitere gemeinsame Fußball-Erlebnisse mit meinem Sohn. Natürlich könnte ich auch die Stimme der Vernunft sprechen lassen und meinem Sohn diesen Aberglauben ausreden, aber... ganz ehrlich: so richtig gute Spiele habe ich mit meiner Mutter nie gesehen.