Sonntag, 22. März 2009

Von Siegen, Niederlagen, Gebruddel und Gebrüll

Jaaaa, ich bin kein Unglücksengel! Um genau zu sein, bin ich gar kein Engel. Aber meinen Kindern hat es nichts ausgemacht. „Man hat nur die Mama gehört, wo wir saßen“, berichtet meine achtjährige Tochter daheim und verneint entschieden die Suggestiv-Gegen-Frage vom fußball-uninteressierten Papa. „Habt ihr euch dann sehr geschämt?“
Aber wir waren ohnehin rundum zufrieden nach dem 2:0-Sieg über den Tabellenführer aus Berlin. Und bei meinem Sohn muss ich so langsam aufpassen, dass der VfB ihn mir nicht abwirbt bei seiner Serie. Er nahm es selbstverständlich. „Die gewinnen halt immer, wenn ich im Stadion bin.“ Angefeuert hat er natürlich trotzdem. Schließlich hatte ich den Kindern empfohlen: „Schreit euch im Stadion mal so richtig aus.“ Dann muss man sich wenigstens kein Loch im Garten graben zum Reinbrüllen wie beispielsweise nach dem Werder-Spiel. Und überhaupt kann man die Fußball-Leidenschaft als Mutter ja auch mal praktisch nutzen. Leider gehen die im Alltag mitunter unerträglichen Kinderstimmchen im Stadion eher unter. Außer ein Fünfjähriger fragt während der Schweigeminute: „Mama, warum stehen die jetzt alle so still?“
Ganz eigennützig hoffe ich, dass der Bub bei seiner ersten Live-Pleite nicht ausgerechnet mit mir unterwegs ist. Andererseits: mit zunehmenden Alter oder ist’s die wachsende Erfahrung kann mein Sohn ohnehin besser mit Niederlagen umgehen. Inzwischen teilt er schon die Gefühlserfahrung der meisten erwachsenen Fußballfans: totale Leere, Wut und Enttäuschung nach verlorenen Spielen und ab Montag stetig wachsende Hoffnung auf das nächste Spiel. Noch vor kurzem führte jeder gegnerische Treffer zu Tränen. Die Wiederholungen bei der Fernseh-Berichterstattung ertrug er gar nicht. „Kann ich die Augen wieder aufmachen?“
Aber diese Woche gibt es nichts über Niederlagen zu philosophieren. Wir waren mit uns und der Mannschaft rundum zufrieden. Die war offensichtlich genauso gut vorbereitet wie wir. Bewaffnet mit Fahne und Horn, VfB-Mützen, Gomez-Schal und Hitz-Trikot hatte wir uns auf den Weg gemacht. In der S-Bahn noch schnell VfB-Wappen, Fritzle und das „Mario“-Bekenntnis auf die begrenzte Flüche eines Kindergesichts gepinselt, meiner Tochter in blöder Fitzelarbeit „VfB“ mit Glitzersteinchen aufgeklebt. Ein bisschen mädchenhaft sollte es für sie sein, ohne gleich auf die rosa Girly-Fan-Kollektion zurückzugreifen. Oder ist ein Hitzelsperger-Trikot schon mädchenhaft genug?
„Guck mal, sogar die S-Bahn ist rot-weiß!“ befand der Fan-Nachwuchs bei der Abfahrt. Erst auf dem Rückweg fiel meinem Sohn das DB-Zeichen auf. „Das ist ein Hertha-Bahnhof!“ Meine Erklärungen über Sponsoring wurden nur misstrauisch aufgenommen. Er denkt wahrscheinlich auch, wir bekommen Post vom VfB, wenn die Stromrechung kommt.

Vielleicht sollten wir lieber mal dem VfB schreiben. Denn die cleverste Anwerbe-Strategie ist es ja nicht, die Familien, die ihre Karten über die Landesfamilien-Pass-Aktion beantragt hatten, direkt neben den Hertha-Block zu setzen. Nicht jeder hat eine Mutter dabei, die alleine versucht, den zu überbrüllen. Auch die Kindergruppe, die mal ein „VfB, VfB, VfB“ in Vor-Stimmbruch-Tonlage anstimmte, fand keine Unterstützung. In der Untertürkheimer Kurve gewinnt man halt den falschen Eindruck, nur die Gäste singen. Ich finde ja, es hätte sich auch angeboten, nach dem Schlusspfiff wenigstens Fritzle – das in der zweiten Halbzeit ohnehin dort hinter dem Gästetor stand – bei den Kiddies vorbeizuschicken. Aber mein Gott, ich passe mich ja auf beinahe anbiedernde Art an: Jetzt werde ich auch noch ein Bruddler. Da wird mir vielleicht verziehen, dass ich als Reig’schmeckte aufgestanden bin, bei: „Steht auf, wenn ihr Schwaben seid!“ Dafür bin ich mit zwei schwäbischen Kindern im Arm sogar noch gehüpft.

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